Entwicklung der PKW - Qualität oder wie glaubwürdig sind heutige Fachartikel
In Heft 22 von 2019 machte „Auto, Motor und Sport“ (AMS) mit obigem Titelblatt und Hauptgeschichte auf. Die Aussagen und vermeintlichen Belege für diese auf dem Titelblatt vollmundig verkündete These ließen jedoch sehr schnell erkennen, dass sich anscheinend auch die Qualität der aktuellen Fachpresse dem allgemeinen langjährigen Trend „nach unten“ angepasst hat. Einen eigenen Eindruck können Sie auf der Verlagshomepage gewinnen („https://shop.motorpresse.de/zeitschriften/automobil/auto-motor-und-sport/einzelhefte/digital/auto-motor-und-sport-22-2019-download.html“). Dort können Sie zumindest das Editorial kostenfrei lesen. Bereits hier werden zwei Vergleiche angestellt, die man im freundlichsten Fall als fragwürdig einstufen kann. Ansonsten ist wohl kaum verständlich, warum man anscheinend teils willkürlich einzelne Daten aus über 5 Jahrzehnten vergleicht, um daraus den Fortschritt der Autos der vergangenen Jahre abzuleiten. Jedes mal, wenn ich auf den üblichen Nachrichtenportalen im Netz wieder einmal auf ähnlich tiefgründige Artikel von AMS gestoßen bin, wurde ich an obiges Kunstwerk erinnert und habe mir die Frage nach Entwicklung von Qualität und Langlebigkeit und damit dem Nutzwert für den Autokäufer gestellt. Im Folgenden die sehr kurze Zusammenfassung der Antwort.
Die Erfassung eines Mittelwertes über alle Fahrzeugmodelle erscheint auf den ersten Blick vielleicht als hilfreich, die Frage was man für sein Geld bekommt oder ob es sich lohnt den „Deutscher Hersteller“ Zuschlag zu zahlen, beantwortet es eher weniger. Zur realistischen Bewertung dieses Punktes ist es viel interessanter zu erfahren, wie sich „ein“ Produkt über diese Zeit entwickelt hat. Es bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung dazu, dass solche Daten von den Herstellern "nicht sehr freigiebig" veröffentlicht werden und eine alles einschließende Analyse nicht möglich ist. Es wird sich daher nur auf den Indikator „erheblicher Mangel“ bei der HU als negativen Qualitätsnachweis fokussiert. Subjektive Qualitätseindrücke, wie Klappern oder Materialanmutung würden sicher dazu beitragen, dass der im Alltag „erfahrene“ Qualitätsunterschied noch wesentlich deutlicher wahrgenommen wird als dies die wenigen Prozentpunkte Unterschied in den Grafiken vermuten lassen. Die Grafiken stellen somit ein Konzentrat des gesamten Qualitätseindruckes dar. Stellvertretend für die „Neuwagenqualität“ wurde die Mängelquote bei der ersten HU (nach 2 - 3 Jahren) betrachtet. Für das Kriterium Langlebigkeit / Dauerhaltbarkeit wurde die Mängelquote bei der HU nach 10 - 11 Jahren bewertet (längster erfasster Einzelzeitraum). Es ist kaum davon auszugehen, dass ein bis hierhin schlechtes Fahrzeugmodell im weiteren Verlauf plötzlich wesentlich besser wird.
Um die Grafiken nicht zu überfrachten wurden die Verläufe auf wenige, aber wichtige bzw. charakteristische Fahrzeugmodelle reduziert. Die Mercedes „190 / C - Klasse“ als Stellvertreter für ein deutsches „Premiumprodukt“, der VW Golf als deutscher Standard und der Renault R5 / Clio als Stellvertreter eines ausländischen / europäischen (Nichtpremium) Produktes.
Abb.1: Prozentsatz der im Mittel zur Hauptuntersuchung (HU nach 2-3 Jahren) vorgestellten PKW mit erheblichen Mängeln (rote Linie). Im Vergleich dazu Mercedes "C - Klasse" (W201 - W205, blaue Strichlinie), VW Golf (grüne Strichlinie) und Renault R5 / Clio (gelbe Strichlinie).
Abb.2: Prozentsatz der im Mittel zur Hauptuntersuchung (HU nach 10 - 11 Jahren) vorgestellten PKW mit erheblichen Mängeln (rote Linie). Im Vergleich dazu Mercedes "C - Klasse" (W201 - W205, blaue Strichlinie), VW Golf (grüne Strichlinie) und Renault R5 / Clio (gelbe Strichlinie).
- Qualitätsentwicklungen weiterer deutscher Fahrzeugbaureihen: (hier klicken)
Fazit der vorliegenden Daten:
Entgegen der Überschrift des AMS-Artikels und nach obiger Definition, ist folgendes ersichtlich:
1. Die hier abgeleitete Neuwagenqualität, hat im Vergleich zur Mitte der 1990er Jahre abgenommen. Das niedrigste Qualitätsniveau herrschte am Ende der ersten Dekade der 2000er Jahre. Dieses geringe Qualitätsniveau betraf sowohl die deutschen Hersteller wie auch den Gesamtmarkt.
2. Die deutschen Automobilhersteller (stellvertretend in den hier dargestellten Modellreihen) haben ihr Qualitätsniveau im Vergleich zum Ende der ersten Dekade verbessern können, bleiben aber unter dem Niveau der 1980er und 1990er Jahre .
3. Das Qualitätsniveau der Mercedes C - Klasse ist mittlerweile nicht mehr besser als der Durchschnitt der Fahrzeuge. Zwischenzeitlich war er sogar weit schlechter als der Durchschnitt.
4. Aus den Trends lässt sich nicht erkennen, dass die Langzeitqualität von VW Golf oder Mercedes C - Klasse seit 2010 besser geworden wären.
5. Das qualitative Niveau aktueller deutscher Produkte befindet sich nur noch auf durchschnittlichem internationalem Niveau.
Allgemeines Fazit:
Gefühlt immer öfter erscheinen Artikel von ehemals zuverlässigen Fachmedien, die entweder die gebotene fachliche Gründlichkeit und Korrektheit oder die nötige journalistische Neutralität zu politischen Idiologien und industriellen Akteuren (Fahrzeughersteller) vermissen lassen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich diese Artikel immer mehr als Werbemedium für vorgenannte Gruppen hervortun. Die sachlich – neutrale Information des Lesers tritt in den Hintergrund. Ungefragt wird dem Leser die Meinung und Einordnung des Redakteurs bzw. des Verlages untergeschoben.
Mein Rat:
Wenn Sie vor Entscheidungen stehen, dann übernehmen Sie nicht unkritisch die Aussagen und Prognosen von angeblichen „Fachartikeln“ oder „Experten“. Wie so oft ist zu hinterfragen: „cui bono“ (frei übersetzt „wem nützt es“).
Machen Sie sich doch einmal den „Spaß“ und lesen die automobilen Entwicklungsprognosen und -versprechen der letzten zwei Jahrzehnte durch und vergleichen Sie mit der gegenwärtigen Realität.
Nachtrag: Ganz aktuell kann man in einem DPA - Artikel*** zum neu vorgestellten VW T7 lesen:
„Wie weit der 171 kW/232 PS starke Plug-in-Hybrid elektrisch fahren kann, hat VW noch nicht ermittelt.“ Ich lasse diesen Satz einmal unkommentiert stehen – auch wenn es schwer fällt – .
Und im Zusammenhang mit vorhergehenden Qualitätsverläufen wäre sicher interessant in der Zukunft zu erfahren, wie denn ein solcher Verlauf für den VW – Transporter (seit T1) aussehen würde, wenn der aktuelle Ford Transit aus türkischer Produktion, ... – oh, Entschuldigung – ich meine natürlich der „VW T7“ mit aufgenommen werden würde?
Also Qualität „Made in Germany“ sowohl im Produkt, wie auch in der Berichterstattung. Was soll da noch schiefgehen mit dem Industriestandort Deutschland? - läuft -
Weitergehende Anmerkungen und Datenquellen zu obigen Darstellungen finden Sie hier:
hier klicken
*) **) Datengrundlage: „AutoBild – TÜV Report“ verschiedene Jahrgänge.
***) DPA - Artikel vom 15.2.25 auf Web-Portal: „Tank, Akku oder beides: Neuer VW T7 macht es allen recht“.
Hinweis: Bei entsprechendem Interesse und Rückmeldung werde ich auch gern noch weitere Aussagen dieses AMS und weiterer Fachartikel und "Expertenaussagen" analysieren.